Partizipation in der Stiftung Züriwerk
Wo und wie findet sie statt?
Erfahren Sie es direkt von Vertretenden der Arbeitsgruppe Partizipation.
Partizipation in der Stiftung Züriwerk
In einem dialogischen Gespräch erzählen Vertretende der Arbeitsgruppe Partizipation, wie die Gruppe zustande kam, was wichtige Learnings und Grenzen sind, was die Möglichkeit zur Partizipation für Selbstvertretende bedeutet und was diese für sie persönlich verändert hat.
Fleta Mulliqi: «Für das Selbstbewusstsein ist das Mitwirken sehr wichtig.»
Gesprächsteilnehmende
Remo von Allmen, Mitarbeiter Empfang
Fleta Mulliqi, Mitarbeiterin Produktion
Andrea Kaufmann, Geschäftsbereichsleiterin Betriebe
Sandra Cupic, Abteilungsleiterin Empfang und Sekretariat
Andrea: Was heisst Partizipation?
Fleta: Mitreden, mitbestimmen, mitentscheiden.
Andrea: Was ist für euch wichtig, wenn wir von Partizipation sprechen?
Remo: Hauptsächlich mitbestimmen und teilhaben. Dass man auch etwas in der Gruppe besprechen kann und Ideen einbringt. Es bedeutet für mich auch selbstständig zu sein. Das finde ich wichtig.
Andrea: Warum wolltet ihr in der Partizipationsgruppe mitmachen?
Remo: Sandra ist auf mich zugekommen und hat mich gefragt, ob ich bei einer Projektgruppe dabei sein möchte. Das hat mich interessiert und ich habe zugesagt. Auch Fleta war da schon dabei. Wir waren von Beginn an dabei. Nach und nach wurde die Gruppe grösser.
Fleta: Ich wollte aus Neugier mitmachen. Zuerst wusste ich nicht, was Partizipation und Agogik heisst, ich wusste nicht, was diese Gruppe machen würde. Ich bin einfach als «Quereinsteigerin» hinzugekommen.
Sandra: Mich hat grundsätzlich das Thema interessiert, weil Partizipation in der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden ein wichtiger Bestandteil ist. Es hat mich gleich gepackt. Ich wollte den Leitfaden mitgestalten.
Fleta: Für das Selbstbewusstsein ist das Mitwirken sehr wichtig. Weil man dann weiss: Man ist jemand. Man hat mitgemacht. Man hat von sich selbst ein anderes Bild.
Andrea: Du sagst also, du hast durch die Mitarbeit in der Projektgruppe auch ganz viel für dich selbst gelernt und so dein Selbstbewusstsein gestärkt?
Fleta: Genau, ich sehe mich nicht mehr als «Arbeitsobjekt».
Sandra: Du, Fleta, warst immer wieder interessiert an solchen Arbeitsgruppen, lange bevor die Arbeitsgruppe Partizipation entstanden ist. Und natürlich hat man dann beim Aufkommen dieser Idee sofort an dich gedacht.
Sandra Cupic: «Das Thema hat mich gleich gepackt. Ich wollte den Leitfaden mitgestalten.»
Fleta: ich verdanke das wirklich auch vielen Fachpersonen in der Stiftung, dass ich mitwirken durfte und ihr an mich gedacht habt.
Sandra: Damals war der Auftrag, dass man in den Teams bei den Fachpersonen abcheckt, wer interessiert ist an dieser Partizipationsgruppe. Für mich war natürlich klar, dass ich meine Mitarbeitenden im Team frage. Remo und eine weitere Mitarbeiterin haben zugesagt. So ist es ins Rollen gekommen, dass man auch Klientinnen und Klienten fragt. Damals hat man oft noch nicht von Beginn weg daran gedacht, die Klientinnen und Klienten einzubeziehen. Und durch diese Partizipationsgruppe wird nun immer sofort daran gedacht, dass Klientinnen und Klienten mitwirken sollen.
Andrea: Ja, das stimmt. Ein Ergebnis der Partizipationsgruppe ist, dass man nun immer Partizipation vom ersten Moment an mitdenkt. Jedes Mal, wenn man eine Projektgruppe startet, dann muss die Frage beantwortet werden: Sind Klientinnen und Klienten Teil vom Projekt?
Remo: Seit 2008 arbeite ich in der Produktion Idastrasse. Da habe ich gemerkt, da ist kaum was los. Da gab es keine Gruppen, keine Projekte. Damals galt: zur Arbeit kommen, arbeiten und Feierabend. Das war’s schon. Und jetzt nach all den Jahren hat es sich stark verändert mit der Partizipation, mit den Kursen und ich denke, da können wir bestimmt noch weitere Schritte in die richtige Richtung machen.
Andrea: Was hättest du da für Ideen, was könnten wir noch machen in der Sache Partizipation in unserer Stiftung?
Remo: Da bin ich noch in Absprache mit der Abteilung Bildung und Agogik. Zum Beispiel der Seitenwechsel für Fachpersonal und die Veranstaltung «Willkommen bei Züriwerk» für neu eingetretene Fachpersonen könnten auch für Klientinnen und Klienten geöffnet werden. Und eigentlich sollte auch die Personalinfo für Mitarbeitende zugänglich gemacht werden.
Andrea: Unsere Aufgabe war, ein Konzept zu machen. Wir fanden das schwierig, weil wir so gross sind und so unterschiedliche Angebote haben. In der Gruppe sind wir darauf gekommen, einen Leitfaden zu machen. Diesen Prozess fand ich sehr spannend, wie wir in der Gruppe zu dem gekommen sind. Wir wollten Fragen stellen, wir wollten mit dem Leitfaden Unterstützung bieten.
Andrea: Benutzt ihr den Leitfaden in euren Teams?
Remo: Ja, wir leben danach. Zum Beispiel arbeiten zwei Personen vom Empfangsteam je einen Tag im Home-Office.
Sandra: Der Leitfaden hat auch insofern etwas gebracht, dass es in unserer Stiftung eine Art Auftrag für Partizipation gegeben hat. Natürlich haben wir Partizipation schon gelebt. Aber aufgrund der Partizipationsgruppe haben wir nochmals darüber nachgedacht. Wir haben konkret rausgesucht, wo man auf welcher Ebene «Person, Gruppe, Abteilung oder stiftungweit» partizipieren kann. Auch in unserem Team haben wir überlegt «schöpfen wir das Maximum aus». Der Leitfaden hat uns bestätigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das hat Mut gemacht, den Weg noch weiterzugehen. Auch out-of-the-Box zu denken. Also war auch die Home-Office-Frage eine logische Konsequenz. Es entsprach letztlich dem Normalisierungs-Prinzip. Natürlich musste man sich überlegen, ob es möglich und produktiv ist, ob es jemandem hilft und die Begleitung musste sichergestellt werden.
Fleta: Meiner Meinung nach gibt es auch Grenzen der Partizipation, die ich in der Stiftung erfahre. An der Idastrasse haben die Teamleitungen zum Beispiel einen wöchentlichen agogischen Austausch. Mitarbeitende haben kein Recht auf Partizipation an diesen Sitzungen.
Andrea: Das hat aber auch einen Grund. Dieser Austausch betrifft die einzelnen Mitarbeitenden und die haben ein Recht auf Persönlichkeitsschutz. Da liegt eine Grenze der Partizipation.
Fleta: Ja, aber ich muss doch wissen, was das Ziel dieses Austausches ist?
Andrea: Da geht es darum, dass wir bestmöglich begleiten. Wenn zum Beispiel ein Konflikt zwischen zwei Personen besteht, dann beraten sich die Teamleitungen im Rahmen des Sitzungsgefässes «agogischer Austausch». Da geht es wirklich um sehr persönliche Themen. Und darum möchten wir euch nicht über den Inhalt informieren. Aber natürlich dürft ihr wissen, um was es beim agogischen Austausch grundsätzlich geht.
Sandra: Ich finde diese Diskussion sehr spannend. Du, Fleta, hast gesagt, dass du Selbstbewusstsein gewonnen hast durch die Partizipationsgruppe. Ich glaube, wenn man zum Punkt kommt, wo man mehr partizipiert und damit Selbstbewusstsein und Erfahrung gewinnt, sich also weiterentwickelt, dann entwickelt man auch Interesse, mehr zu erfahren. Die Türen waren vielleicht immer schon zu. Und jetzt da du merkst, du hast die Möglichkeit zur Partizipation, hast du natürlich Lust und möchtest mitmachen – auch bei einer Sitzung, bei der du ausgeschlossen bist.
Fleta: Da sind die Grenzen der Partizipation.
Sandra: Für das haben wir im Leitfaden die Rechte und Pflichten definiert. Partizipation kann bis zur Entscheidung oder Ausführung möglich sein.
Andrea: Im Alltag gibt es schon Grenzen – ganz praktische Grenzen. Zum Beispiel im Hinblick auf einen Kundenauftrag oder Öffnungszeiten. Die sind gesetzt.
Remo von Allmen: «Wir haben das Recht, uns selbst einzuteilen.»
Remo: Wir beim Empfang erhalten Aufträge, die wir zeitgerecht erfüllen müssen. Wir haben das Recht, uns selbst einzuteilen, machen im Team ab, wer den Auftrag übernimmt und können beispielsweise auch Home-Office machen.
Andrea: In der Produktion haben wir einen engeren Rahmen, wie ihr beim Empfang.
Sandra: Ja, aber man kann sich auch kreativ mit der Forderung nach Partizipation auseinandersetzen – auch in der Produktion, wo man auf den ersten Blick meint, man hätte keinen Spielraum. Das Beispiel vom agogischen Austausch könnte man ebenfalls umdenken: Wie wäre es mit einem agogischen Austausch von und mit Mitarbeitenden? Solche Gedanken entstehen erst, wenn man sich damit vertieft beschäftigt, sich darauf einlässt und vor allem die Selbstvertretenden das Selbstbewusstsein haben, das zu äussern.
Andrea: Wir planen, dass die Personen aus der Partizipationsgruppe an die verschiedenen Standorte gehen und fragen, wie Partizipation in der Abteilung gelebt wird. So könnte man überprüfen, ob Partizipation echt gelebt wird. Das Ziel dabei wäre, dass die Partizipationsgruppe «gute Beispiele» kennenlernt und durch den Austausch diese in der ganzen Stiftung weitergeben könnte.
Sandra: Wir haben noch weitere Ideen. Beispiele wie der Mitarbeitendenrat, Kommunikation von den Klientinnen und Klienten in einfacher Sprache, Intranet für alle.
Andrea Kaufmann: «Partizipation muss man lernen.»
Andrea: In unserer Institutionen-Welt haben wir Fachpersonen manchmal einen eingeschränkten Blick. Wir haben die Rolle der Begleitpersonen. Wir haben die Grenzen des Systems verinnerlicht. Mit dieser Partizipationsgruppe lösen wir diese Grenzen auf. Unser Auftrag ist die Befähigung zur Partizipation. Das kann man nicht einfach so. Partizipation muss man lernen.
Fleta: Für mich hat sich damit auch privat etwas verändert. Ich bin selbstbewusster geworden, ich kann mich wehren, wenn es um mich geht, ich kann Vorschläge bringen. Ich bin nicht die, die ich vor zehn Jahren war, als ich mich unter Umständen nicht getraut habe, etwas zu sagen. Ich war damals nicht so weit. Ich möchte weitermachen und das Thema Partizipation nicht aus den Augen verlieren.