Inklusion: Modewort oder Wirklichkeit
Matthias Keller, Postmitarbeitender in der Sihlpost Zürich bewältigt seinen Arbeitsalltag wie alle in seinem Team. Doch Inklusion im ersten Arbeitsmarkt ist nach wie vor keine Selbstverständlichkeit.
Inklusion: Modewort oder Wirklichkeit
Kommentar Rahul Davé
«Endlich bin ich angekommen, wo ich schon immer arbeiten wollte», erzählte mir Matthias Keller, der seit Sommer 2022 mittels Job-Coaching durch Züriwerk bei der Sihlpost in Zürich arbeitet. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes, der für seine Vision kämpft. Und es ist auch ein Abenteuer auf dem schmalen Grat, welcher zwei Realitäten unserer Gesellschaft verbindet oder trennt. Nämlich die Realitäten vom Dazugehören oder Ausgeschlossen sein. Wenn jemand die sieben Weltmeere der geschützten Arbeitswelt durchschwommen hat, dann sind es Menschen wie Matthias. Er hat über zehn Jahre in verschiedenen Institutionen gearbeitet, um dort anzukommen, wo niemand es wirklich für möglich hielt. Mittendrin und voll dabei. Das ist möglich, weil sich die Gesellschaft und Institutionen in dialogischer Wechselwirkung nach und nach verändern. Mit der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention, dem neuen Selbstbestimmungsgesetz und dem Effort vieler mutiger Neudenker sind wir auf gutem Weg, Inklusion nicht nur als Modewort zu nutzen, sondern diesem vielversprechenden Begriff gesellschaftliche Werte zuzuordnen. Und wenn auch so manches soziale Feigenblatt den Inklusionsdschungel schmückt und noch nicht immer klar ist, warum sich jemand «Inklusion» auf die Fahne schreibt: Es mehren sich Unternehmen wie die Post, welche die verschlossenen Türen zur Chancengleichheit aufstossen. Belohnt dadurch, mit der Erfahrung menschlich wie wirtschaftlich bereichert zu werden. Gleichzeitig frage ich mich, sind wir schon dort, wo Inklusion gelebte Wirklichkeit ist? Wo Menschen mit Beeinträchtigung nicht nur in die Gesellschaft eingebunden, sondern die Umwelt auch ihren Bedürfnissen angepasst wird. Wo in Schulen und Unternehmen barrierefreie Angebote und Stellen zum Alltag gehören. Wo jeder Mensch natürlich dazugehört und alle mitmachen dürfen?
Um die unendliche Geschichte des idealen menschlichen Miteinanders hier auf den Punkt zu bringen: Wir sind weder auf dem Gipfel der Inklusion angekommen, noch irren wir im dunklen Zeitalter der Exklusion. Als Partnerin von über 150 KMU und einigen grossen wie zum Beispiel der Post darf Züriwerk auch stolz sein, dass Dutzende Menschen wie Matthias ihren Träumen näher sind und wir den Begriff Inklusion mit Bedeutung füllen und erlebbar machen. Dennoch kämpfen wir mit Matthias und seinen Weggenossen weiter – als Stiftung, als Job-Coaches und als Gesellschaft.